Rolf Göbel aus Elleringhausen – Eine Reise um den Erdball für eine goldene Hochzeit
„Die kann man nicht einfach vorüberziehen lassen.“
TWISTETAL-ELLERINGHAUSEN (md). Als im Restaurant „Waldsee“ die Tür zum Speisesaal aufging und der junge Mann mit dem bauschigen Bart seinen Kopf grinsend durch die Tür steckte, verschlug es der feiernden Gesellschaft die Sprache: Vor ihnen stand der in Australien lebende Sohn des goldenen Hochzeitspaares Emmy und Heinrich Göbel aus Elleringhausen. Kein Mensch in der alten Heimat hatte mit dem „Auftritt“ des Wahl-Aussies Rolf gerechnet – und der hatte die Reise um den halben Erdball selbst erst kurzfristig geplant.
Ursprünglich sollte nur ein großes Gemälde zum 50. Hochzeitstag der Eltern in Deutschland landen. Doch dann änderte Rolf Göbel seinen Plan: „Eine goldene Hochzeit ist schon etwas Besonderes. Die kann man nicht einfach vorüberziehen lassen“, erkannte der 34jährige Weltenbummler und Junggeselle mit Respekt vor der 50jährigen Ehe der Eltern. Also packte er seine sieben Sachen und machte sich mit obligatorischem Globetrotterhut und Mantel auf den Weg nach Elleringhausen, wo es ihn trotz der Begeisterung für die Ferne immer wieder hinzieht.
Heute ist das Land der Kängurus nur noch einen Tagesflug entfernt – und doch liegen zwischen Idee und Umsetzung einer Reise Welten, kleine Zwischenfälle, über die Göbel gern berichtet: „Gerade noch in Mackay, musste ich auf die Schnelle ein Flugticket per Telefon kaufen.
Koffer packen und 800 Kilometer Schotterstraße zum nächsten internationalen Flughafen in Cairns fahren – mit nur einem platten Reifen und zwei Flussdurchquerungen freilich kein Problem für den gestandenen Buschmann Göbel.
Seit knapp sieben Jahren ist der Weltenbummler mit Motorrädern, Bussen oder Lkw in wilden Weiten unterwegs, hat in Australien seine neue Wahlheimat gefunden. Der gebürtige Elleringhäuser, immer schon ein Motorrad-Freak mit Vorlieben für die Weite, stellte vor zehn Jahren den Antrag auf Einwanderung in den Roten Kontinent, ohne jemals zuvor überhaupt dagewesen zu sein. „Australien war am weitesten weg, und Neuseeland war zu klein“, bemerkt der Globetrotter, locker sitzend und wissend lächelnd. Logisch.
Knapp anderthalb Jahre später erhielt er die Papiere für den, so Göbel, „größten Schritt meines Lebens‘. Die Familie akzeptierte das Fernweh und unterstützte den gelernten Baumaschinenschlosser bei seinem Entschluss. Möglicherweise wurde ihm die ewige Reiselust auch schon von seinen Eltern in die Wiege gelegt – die sind sind nämlich selbst gern unterwegs. „Ohne die Rückendeckung, auch in finanzieller Hinsicht, hätte ich es nicht geschafft,‘ betont der Wahl-Aussie. Er schmiss den Job, vermietete seine Wohnung, verkaufte einen Teil seiner Habe und machte sich auf den Weg. Ziel: „Down Under“. Entfernung: 22 000 Kilometer Luftlinie. Herausragende Eigenschaften: Weit genug weg, im Nordosten immer warm, groß und wild. Beim ersten Anflug hatte der Elleringhäuser noch ein Rückflugticket in der Tasche. Die ersten Monate in der Fremde waren ein Augenöffner für den heute 34jährigen. Die Überquerung des „Nullarbor“ hatte es in sich, erinnert er sich, zeigte ihm beispiellose Weite und Wildheit des australischen Kontinents, die er nur aus Büchern kannte‘. „Die Straße führt von der Ost- zur Westküste des Landes und misst über 2500 Kilometer ohne Baum und Strauch.“ Und die nicht mit dem Finger auf der Landkarte, sondern mit dem Motorrad unterm Hintern zurückzulegen, war auch für den von Unternehmungslust beseelten Göbel kein Pappenstiel. „Die Ortschaften liegen in 300 Kilometer Abständen, und eine Panne an der Maschine ist das Letzte, was du gebrauchen kannst“, sagt er cool. So reiste er durchs Land, flog nach einem Jahr zurück nach Deutschland – und später wieder fort.
Die nächsten drei Jahre verbrachte Göbel damit, das Land seiner Träume noch genauer kennenzulernen. Er nahm Arbeit an, wo und wie es gerade passte: „Vom Fische ausnehmen auf dem Fischkutter an der Nordküste Westaustraliens bis hin zum Steuern eines 120-
Tonnen Roadtrains quer durch die endlosen Weiten des Landes war alles drin.“ Und dann war Göbel auch mal als fliegender Mechaniker im Einsatz, wurde per Helicopter zu Goldminen gebracht und reparierte dort Maschinen.
Göbel hat die raue Seite des australischen Outback kennengelernt, betont er. Er erzählt mit Behagen von seinen wilden Erlebnissen – wird in Deutschland auch immer wieder danach gefragt‘. „Beim Rinderauftrieb einer 7500 Quadratkilometer großen Rinderfarm in den Northern Territories war ich dabei, ein Fohlen zu brennen, als einer der Stiere sich losreißt und einen unserer Jungs voll auf die Hörner nimmt. Die Reaktion aller Beteiligten war umwerfend. Mit einem Knüppel hat John den wildgewordenen Bullen in Schach gebracht, zu zweit sind wir los und haben den Schwerverletzten aus der Gefahr geholt. In Null Komma nichts waren die fliegenden Ärzte per Funkgerät benachrichtigt. Dann dauerte es „nur“ drei Stunden, bis das Flugzeug am Unfallort war und abtransportiert wurde.
Für die Entfernungen im Outback recht günstige Verhältnisse. • Seit einiger Zeit verdient er seinen Lebensunterhalt mit dem, was ihn zum Vagabunden machte: als Reiseleiter. Dabei kommen Ihm die Erfahrungen, die er während der Expeditionen gesammelt hat, bei seinem jetzigen Beruf als Tour-Manager zugute. „Nicht viele Australier haben das Land so intensiv gesehen wie ich. Die meisten Städter haben Angst vor dem Busch.“
Auf dem Flug nach Deutschland kam ihm der Gedanke, auch Interessenten aus der alten Heimat eine Reise ins Land der Beuteltiere anzubieten. Für Menschen, die das Land kennenlernen möchten, sich auf eigene Faust aber nicht trauen: „Ich bin schon oft Menschen begegnet, die die Reise machen möchten. Doch Hemmungen vor fremden Sprachen, Lebensweisen und Gefahren halten sie davon ab.“ in Zusammenarbeit mit Reisebüro Schreiber in Korbach und der Inbound-Reisegesellschaft „Goway“ in Sydney bietet Göbel daher exklusiv eine dreiwöchige Reise für Ende März an. Stationen sind etwa der tropische Norden und das Great Berner Reef, die Atherton Tablelands, Darwin, Ayers Rock sowie Alice Springs, Melbourne und Sydney. Informationen sind telefonisch erhältlich. Auch Menschen, die Fragen zur Einwanderung nach Australien haben, steht Göbel zur Verfügung.
Bildunterschrift:
Globetrotter Rolf Gäbel mit seinen Eltern am Tag der goldenen Hochzeit Mitte Februar. Das Gemälde sollte ursprünglich ohne den Sohn ankommen, der vor 15 Monaten zuletzt in Deutschland war.
Quelle: WLZ im Februar 1998