Australien, Reisen

Reise durch die Erdgeschichte

By Jack

Papierkrieg im Busch

Mit dem Ziel, den Erzabbau in den Minen Tom Price, Paraburdoo, Brockmann und einigen anderen zu beobachten sind wir seit Wochen mit unseren Landcruisern unterwegs. In schier endloser Einöde kommen wir schließlich in der Pilbara Region im Norden Westaustraliens an. Die Fahrt war mühsam und langwierig mit vielen Pannen und Problemen. Wir sind die 3500 km mit der Absicht gefahren, keine befestigten Straßen zu nutzen. Das war nicht gerade einfach, doch das Erlebte lässt sich nicht in einem Buch zusammenfassen.

Als endlich die riesigen Gebirgsketten der Hamersley Range am Horizont auftauchen, werden wir Zeuge eines unglaublichen Spektakels: es scheint als würde sich das Gebirge in die Luft erheben. Die Umrisse verschwimmen und das flimmernde Rot der Berge wandelt sich in tiefstes Grau. Willy Willys – kleine Wirbelstürme – bauen sich in Scharen um uns auf und beginnen den roten Sand in die Luft zu wirbeln. Daryl, unser Campkoch meldet sich per Funk: „Willies, wir müssen zurück, die fetzen uns in Stücke.“ In eigenartiger Ruhe drehen wir die Fahrzeuge und fahren zurück Richtung Marble Bar, die nächste erreichbare Ortschaft für uns. Dann packt uns die Panik. Mit 120 km/h rasen die Cruiser über die gnadenlose Schotterpiste in Richtung Sicherheit.

In Marble Bar erzählen die Australier von einem Zyklon der sich vor der Küste im Indischen Ozean austobt. Seine Ausläufer sind bis hierhin zu spüren. Eigentlich nichts besonderes, so Jack, dies ist der Anfang der Regenzeit und da gibts schon mal einen Zyklon in den tropischen Regionen Australiens. Der Wetterdienst hatte den Sturm zwar angemeldet, allerdings sollte er sich in großem Bogen um die Nordwestküste Australiens bewegen. Die Natur kennt offenbar doch keine Regeln.

Am darauffolgenden Tag fahren wir zur Eisenerzmine Mt. Whaleback. Wir stehen vor einem weiteren Problem: Nach vollzogener Anreise will uns die Minengesellschaft BHP (Broken Hill Proprietary Company) nicht auf ihr Gelände lassen. Der Schrankenwärter am videoüberwachten Stahltor ist freundlich, aber beharrlich: Privater Zugang ist nur mit spezieller Genehmigung zulässig. Nachdem ein paar Tage später endlich die Formalitäten erledigt sind, öffnet sich eine Wunderwelt.
Von der Eisenzeit in die Zukunft
Die Eisenerzmine Mt. Whaleback ist eine der größten weltweit. Hier werden in Zusammenarbeit mit anderen kleineren Minen der Region jährlich weit über 50 Millionen Tonnen hochgradiges Eisenerz abgebaut. Bei Temperaturen von nicht selten 45 Grad im Schatten schier unsägliche Strapazen für Mensch und Maschine. Eisen ist der Gigant unter den Metallen. Mit einer Verwendungsratio von 20 mal mehr als ähnliche Metalle ist Stahl das am meisten verwendete Metall der Welt. Von Schiffbau über Brücken, Lastwagen, Wolkenkratzer und Eisenbahn bis hin zu Nagel, Schraube oder Kugelschreiberfeder.

Ohne Stahl geht nichts auf unserem Erdball. Seit Jahrtausenden schon beschäftigt sich der Mensch mit der Gewinnung und den Möglichkeiten dieses edle Gut in der Qualität zu verbessern. Angefangen jedoch hat der Mensch mit anderen Metallen: Bronze war ein Material, welches sich ohne großen Aufwand im Feuer aus dem Stein schmelzen ließ und somit leicht gebrauchsfertig gemacht werden konnte. Eisenerz war bekannt, doch hatte man Schwierigkeiten, die Schmelztemperaturen zu erreichen. Meist war es den Arbeitern nicht möglich, mehr als nur wertlose Schlacke aus den Steinbrocken zu gewinnen.
Um 1200 v. CH kollabierten die Handelsrouten, welches einen Engpaß in der Kupfer und Bronze Versorgung mit sich brachte. Die Metallbauer der alten Zeit mußten sich auf die Verwendung von Eisenerz konzentrieren und erst nach Jahrzehnten hatten sich Gießtechniken sowie das Wissen um die Geheimnisse der Härte und Zähigkeit herumgesprochen und ein Handel mit dem kostbaren Gut begann.
Die Techniken des Abkühlens um Härte zu erhöhen, als auch das vorsichtige Erwärmen um die Zähigkeit zu verbessern, wurden wiederum Jahre später erst entdeckt. Diese einfachen Techniken ermöglichten es, ein Metall zu schaffen, welches von viel höherer Qualität und extremer Härte war als alle anderen zuvor. Stahl.

Monstertatzen und Stahlkolosse
John, ein Geologe in zerschlissenen Jeans und Shahlkappenstiefeln verteilt Schutzhelme und Brillen.

Wir fahren im Kleinbus über die fünfzehn Kilometer lange Piste bis zum obersten Rand des riesigen Loches, wo noch vor ein paar Jahren ein 250 Meter hoher Berg stand. Jetzt nur noch ein mehrere hundert Meter tiefes Loch. Wir stehen auf einem der riesigen, mit je vier 2500 Kilowatt starken Elektromotoren ausgerüsteten Schaufelradbagger. Mit ihren, wie Monstertatzen aussehenden Schaufeln laden sie pro Hub ca. 70 bis 90 Tonnen Erzerde in die 7000 PS starken Muldenkipper mit mehr als 240 Tonnen Ladekraft.

Wir müssen uns beeilen, denn in zehn Minuten ist eine Sprengung im C – Sektor angesagt. Der Abbau des Erzes erfolgt durch Sprengen in Trassen von bis zu 15 Meter Höhe. Fast einhundert Löcher von 35 cm Durchmesser werden 18 bis 25 Meter tief in den Fels gebohrt und mit einer Ammonium-Nitrat-Dieseloel-Mischung gefüllt und durch eine Hochgeschwindigkeitszündschnur fast einheitlich gezündet. Die Sprengungen werden von speziell geschultem Sprengmeistern durchgeführt und meist wird eine Kapazität von fünfhunderttausend Tonnen erreicht. Wir sind mittlerweile am Brecher angelangt, hören den ohrenbetäubenden Knall und sehen die riesige Rauchwolke aufsteigen. Alle Gebäude sind rotbraun gestrichen und das hat seinen guten Grund.

Die Kipper fahren das Erz im 24 Stunden Takt in die Brecher, wo es in verschiedenen Vorgängen auf zwei Zentimeter große Klumpen gemahlen wird. Während dieses Prozesses wird die Qualität vorsortiert und in zwei Kategorien eingeteilt. Insgesamt sind 25 km Förderband für die Verladung auf die Eisenbahnzüge notwendig.
Fünf bis sieben Zugmaschinen mit je 2500 PS ziehen die unendlich wirkende Schlange von bis zu 300 Güterwaggons. Diese widerum jeweils beladen mit hunderten Tonnen Erz. Über drei Kilometer lang ist das brüllende Ungetüm mit einem Gesamtgewicht von 25.000 Tonnen kostbarem Eisenerz. Entlang der Bahnstrecke befinden sich regelmäßig Ausweichbuchten für die entgegenkommenden leeren Züge.
Sobald die Züge im Verladehafen einlaufen, werden sie entladen. Indem eine riesige Maschine, die aussieht wie eine Schraubzwinge in Megagroß, jeweils drei der Güterwaggons greift und hydraulisch umdreht, ohne die anderen abzukoppeln. 7500 Tonnen in Bewegung, in der Schwebe gehalten von einer Monsterkralle, zu gigantisch um beschrieben zu werden. Wer’s nicht gesehen hat wird zweifeln.

Der drei Kilometer lange Güterzug bleibt dabei immer in langsamer Bewegung. Das erneute Stoppen und Anfahren des Zuges würde zuviel Verschleiß an Rädern, Schienen und Material fordern. Gar nicht an die zu verbrauchende Menge Dieselöl zu denken…

Die Riesenkralle ist schwimmend gelagert und gleitet stets vor und zurück. Der Inhalt fällt in eine überdimensionale Schüssel und wird wiederum von Fließbändern abtransportiert. Verladen wird das Erz auf 250.000 BRT Tanker, die es in die ganze Welt zu den Stahlwerken liefern.
John bläst zur Abreise und wir fahren schwitzend bei 46 Grad Aussentemperatur im klimatisierten Toyota Bus zum Mittagessen. Ein Menü ist als Buffet angerichtet. Die Qualität vorzüglich und abermals kaum zu glauben, daß hier in der Mitte von Nirgendwo ein solcher Luxus möglich ist. Schließlich ist Perth, die Hauptstadt Westaustraliens noch 2500 Km entfernt und die nächste Stadt mit weniger als 200 Einwohnern eine auf dem Zeichenbrett entstandene Trabantenstadt. Die Minenplaner haben an alles gedacht. Selbst Schwimmbad und Tennisplatz sind vorhanden und das kleine medizinische Versorgungszentrum wird von den fliegenden Ärzten mitversorgt. Die Schule wird von schwarzen wie weissen Schülern gleichermassen besucht. Sogar eine Abendschule ist eingerichtet.

Den Nachmittag verbringen wir mit einem Geologen Namens Harry, der uns in die Wiederaufbereitung nach der Ausbeutung des Geländes einweist. Bei einer Konzentration von 69 bis 85 % Eisen im Erz ist es nicht ganz einfach, die Wunden in der zerschnittenen und durchwühlten Natur zu verdecken. Erstaunt schauen wir über ein Gebiet von vielleicht 120 qkm unberührter Natur – wie uns scheint – wo, so erklärt Harry vor anderthalb Jahren noch ein Berg von knapp 400 Meter Höhe stand.

Die Ureinwohner Australiens – die Aborigines – leben seit über 30 000 Jahren im Einklang mit der Natur größtenteils im Norden Westaustraliens, entweder in Reservaten für sich oder innerhalb der Orte zusammen mit den Weißen. Viele Nationalparks werden von Australiern in Zusammenarbeit mit Aboriginals geleitet, die das Land besser und länger kennen und verstehen, da sie schon seit Jahrtausenden in ihm und von ihm leben. Überall trifft man auf ihre Kunst, ihre Malereien und ihre Kultur, die in Nationalparks vor der Zerstörung bewahrt wird.

Aber auch das „restliche“ australische Outback umfaßt unermeßliche Distanzen, und schon mancher hat sich aufgrund von Landkarten ob der Größe täuschen lassen. Durch die spärliche Besiedlung fährt man oft Stunden, teils gar Tage ohne ein Haus oder einen Menschen zu sehen und fast alle Ortschaften – vorwiegend die im Norden – sind isoliert und haben auf hunderte von Kilometern keinen Nachbarn. Das macht das Reisen durch das Outback abenteuerlich, nicht selten aber auch gefährlich, da man sich bewußt sein muß, daß man auf sich allein gestellt ist, wenn es um Wasser, Benzin oder Nahrungsmittel geht.

Nicht nur die Entfernungen an sich sind größer und weitläufiger als in Europa, auch die Reisegeschwindigkeit ist wesentlich geringer. Man kann und will das Land nicht einfach durchrasen, da es erstens viel zu viel Schönes zu sehen gibt, aber auch die Straßenverhältnisse vollkommen anders sind, man öfter eine Pause braucht und auch jederzeit darauf vorbereitet sein muß, daß Rinder, Kamele oder Kängurus die Straße überqueren.

Zudem sind viele Straßen und ganze Regionen in der Regenzeit unpassierbar, so daß man gut planen muß, um nicht plötzlich irgendwo festzusitzen.

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